Der Kompetenzbereich „Evidenzbasierte Prävention im regionalen und kommunalen Kontext“ an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
Prävention und Fördern von Gesundheit sowie Entwicklung wird in der einzelnen Person wirksam. Niemand raucht für eine:n andere:n. Niemand geht für eine:n andere:n im Wald laufen.
Ansprechperson
Prof. Dr. Falko Sniehotta
Zentrum für Präventivmedizin und Digitale Gesundheit (CPD), Abteilung Allgemeinmedizin, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
Dr. Birgit Kramer
Niemand entscheidet sich im Supermarkt für jemand, Früchte statt Chips in den Einkaufswagen zu legen. Was Menschen im Einzelfall tun oder nicht-tun, wird entscheidend vom Kontext geprägt: das engere Umfeld, die Familie, die Peers, die Freund:innen , die sozialen Medien, das Quartier, die Arbeit, die Schule, die Kommune. Ohne einen auf Gesundheit ausgerichteten Kontext folgt das individuelle Handeln daher vorhersehbar eher den Interessen der Anbieter:innen von Dienstleistungen und Konsumgütern.
Zielsetzung
Der Kompetenzbereich „Evidenzbasierte Prävention im regionalen und kommunalen Kontext“ bearbeitet die Fragestellung, wie vorhandene Strukturen im kommunalen Kontext besser vernetzt und verbunden werden können, um das individuelle Handeln bezogen auf Gesundheit zu fördern. In Baden-Württemberg existieren Leuchtturm-Beispiele dafür, wie es in den Lebenswelten Arbeit, Kindertagesstätten, Schulen oder Gemeinden gelang, ein anderes „Normal“ zu schaffen – mit gesundheitsförderlicherem Verhalten des Einzelnen.
Das Ziel ist, diese erfolgreichen Umsetzungen zu verstehen und Anleitung sowie Methodik abzuleiten, wie Prävention durch Interventionen im Kontext der Menschen in Baden-Württemberg vorangebracht werden kann. Das facettenreiche Ziel muss daher in Fragestellungen heruntergebrochen werden, von denen exemplarisch folgende in der Förderperiode bearbeitet werden:
- Kann ein:e Gesundheitsbeauftragte:r in einer Gemeinde sektorübergreifende Integration von Prävention und Gesundheitsförderung über die verschiedenen Sektoren voranbringen? Was ist die Aufgabenbeschreibung einer solchen Position?
- Welchen Beitrag könnte eine auf Gesundheit und Prävention ausgerichtete hausärztliche Primärversorgung leisten, die kommunale Ressourcen berücksichtigt? Welche regulatorischen Veränderungen sind dafür erforderlich?
- Können durch die Einrichtung einer Experimentalpraxis die Rahmenbedingungen für eine Hausarztmedizin der Zukunft evaluiert werden?
- Wie lassen sich nicht-medizinische zivilgesellschaftliche Ressourcen für den Erhalt einer Teilhabe und Autonomie bei älteren Menschen auf kommunaler Ebene integrieren?
- Wie kann ein regionales Pandemie-Management realisiert werden, welches die existierenden Lebenswelten (z.B. Betriebe, Schulen, Kindergärten oder Arztpraxen) einbindet?
Vorgehensweise
Zu 1.: Exemplarische Einrichtung, Implementierung und Evaluation von kommunalen Präventions- und Gesundheitsbeauftragten auf Gemeindeebene.
Zu 2.: Konzeption einer auf Gesundheit und Prävention ausgerichteten neuen Form der Hausarztmedizin in Medizinische Versorgungszentren, die kommunale Ressourcen integriert.
Zu 3.: Aufbau einer Experimentalpraxis zur systematischen Erforschung von innovativen, digitalen Lösungen für die zukünftige hausärztliche Versorgung im ländlichen Raum. Am Beispiel kardiovaskulärer und metabolischer Prävention wird die empirische Testung individualisierter Begleitung untersucht.
Zu 4.: Digitale, horizontale Einbindung von nicht-medizinischen Ressourcen der Zivilgesellschaft in mehreren Kommunen in einem ländlichen Raum durch Care-Management und individualisiertes Case-Management bei älteren Menschen.
Zu 5.: Kommunal verankertes, digital unterstütztes Pandemie-Management zur Frühidentifikation von asymptomatischen Infektionsträger:innen.
Kooperationen
Es erfolgte bereits eine Kontaktaufnahme zu allen anderen Kompetenzbereichen und ein erster Austausch aller Projektpartner:innen beim Kick-Off-Meeting am 13./14.07.2021 in Heidelberg. Außerdem fanden erste intensive Gespräche zur weiteren Vernetzung statt. Bereits etablierte Kooperationen bestehen zwischen den Zentren in der Region Nordschwarzwald, im Kinzigtal, im Kreis Schwäbisch Hall und in der Gemeinde Nußloch.
(Zwischen-)Ergebnisse
Zu 1.: Die übergeordnete kommunale Gesundheitsbeauftragte ermöglichte die Koordination einer sektorübergreifenden Zusammenarbeit (Erziehung – Gesundheit).
Zu 2.: Eine stärker auf Prävention und Gesundheitsförderung ausgerichtete hausärztliche Versorgung ist unter aktuellen Vergütungsbedingungen nicht realistisch. Daher werden aktuell Lösungen entwickelt, welche digitale Komponenten einbeziehen und so kostengünstig Arztpraxen entlasten.
Zu 3.: Die Planungsphase für die Experimentalpraxis ist abgeschlossen, die Einrichtung ist für Q2 2022 vorgesehen.
Zu 4.: Die Lösung sind bei der Gemeinde oder größeren Versorgungsstrukturen angestellte kommunale Case-Manager:innen – ca. 400 Betroffene pro Case-Manager:in leistbar. Der Fokus sollte auf Personen mit erhöhtem Koordinationsbedarf von ambulanter Pflege, Arztpraxis und sonstigen Leistungserbringer:innen liegen.
Zu 5.: Erfolgreiche Pilotierung eines regionalen Pandemie-Managements im Kinzigtal, Nordschwarzwald und Hochschwarzwald. Trotz mehrerer erfolgreicher Proof-of-Concept Projekte in der Region konnte aufgrund der kostenlosen Antigen-Tests und der fehlenden Finanzierung von Pool-PCR-Test im Gegensatz zur Schweiz das Vorgehen nicht flächig ausgerollt werden.