Aufbau präsymptomatischer Genträgerkohorten für neurodegenerative Erkrankungen
Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist die häufigste adulte Form einer Motoneuron-Erkrankung mit einem fortschreitenden Verlust der Bewegungs- und Kommunikationsfähigkeit sowie Atemversagen bei einer mittleren Überlebenszeit von 2-3 Jahren.
Ansprechpersonen
Prof. Dr. Dr. Albert Ludolph
Ärztlicher Direktor Neurologie
Universität Ulm
Tel: +49 (0) 731 177 1201
Genetisch, neuropathologisch und klinisch zeigt die ALS Überschneidungen mit der frontotemporalen Demenz (FTD), welche nach der Alzheimer Demenz die häufigste degenerative Demenzform unter 65 Jahren darstellt; bei etwa 10- 15 % der ALS-Patient:innen tritt die FTD meist als Verhaltensvariante mit Apathie und Enthemmung auf, die eine besonders große Herausforderung für die Patient:innen und ihre Familien darstellt. Bei bis zu 50% der Patient:innen wurden genetische Ursachen nachgewiesen. Seit einigen Jahren stehen Gentherapien zur Verfügung, die erstmalig eine kurative Behandlung erlauben. Diese müssen jedoch frühzeitig, lange vor Krankheitsbeginn, zum Einsatz kommen, da wahrscheinlich bereits 70 % der Neurone pathologisch verändert sind, bevor die Patient:innen klinisch auffällig werden. Für eine erfolgreiche Prävention neurodegenerativer Erkrankungen ist demnach eine umfassende Ursachenanalyse sowie eine frühzeitige Intervention essentiell.
Zielsetzung
Ziel ist eine flächendeckende und langfristige Untersuchung und Begleitung von ALS- und FTD-Patient:innen und ihren Familien in Schwaben. Zum einen geht es um die Erfassung von genetischen und lebensstilassoziierten Risikofaktoren. Zum anderen geht es um die Etablierung einer digitalisierten Datenbank, um Patient:innen und ihre Familienangehörigen mit einer Risikogenmutation frühzeitig lebensrettenden Studien zuführen zu können. Durch die Etablierung dieser Datenbank erfolgt ein wichtiger Schritt in Richtung der Präventionsforschung und der Digitalisierung in der Medizin, was den Standort Baden-Württemberg für die Zukunft stärkt.
Vorgehensweise
- Aufbau einer digitalen Datenbank zur Erfassung präsymptomatischer Genträger zur longitudinalen Betreuung betroffener Familien
- Systematische Erfassung aller relevanten klinischen Parameter
- Systematische Erfassung von Liquor/ Plasma, metabolischen und klinischen Biomarkern
- Frühzeitiger Einschluss in klinische Studien zur Krankheitsprävention
Geplante und bereits etablierte Kooperationen
Das Projekt hat eine enge Kooperation mit dem DFG-finanzierten Schwaben-Register (https://www.uni-ulm.de/med/epidemiologie-biometrie/forschung/register/als-register/), mit dem deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (https://www.dzne.de/ueber-uns/standorte/ulm/), dem Zentrum für seltene Erkrankungen (https://www.seltene-erkrankungen.info/Zentren/ZSE_Ulm.html), dem deutschen ALS Netzwerk (MND-NET) und dem deutschen sowie dem europaweiten FTLD Netzwerk (FRONTIERS, FTD Netzwerk).
(Zwischen-)Ergebnisse
Es wurden bereits erste prädiktive Faktoren der ALS definiert. So konnte gezeigt werden, dass der Lebensstil in Bezug auf ein regelmäßiges, moderates Bewegungsprofil Dekaden vor dem Erkrankungsausbruch Einfluss auf den späteren Verlauf der Erkrankung hat. Des Weiteren scheint die Ernährungsweise (Vitamin A-Status, veränderte Insulin-Sensitivität, Typ II Diabetes, BMI 20-70 Jahre vor der Erkrankung, Ernährungszustand nach Erkrankungsausbruch) Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf der Erkrankungen zu haben. Daraus lassen sich bereits jetzt wichtige Empfehlung zur Prävention ableiten.
Des Weiteren wurden die Familien von mehreren hundert ALS- und FTD-Genträgern bereits in das Netzwerk eingeschlossen und ein Teil der Familienangehörigen eingehend untersucht. Bereits erstellte weitreichende Familienstammbäume erlauben die Kontaktaufnahme von zusätzlichen Familienangehörigen, die über das Netzwerk zukünftig frühzeitig in Studien eingeschlossen werden können. Bereits im Jahr 2021 konnten erfolgreich Patienten in laufende Genstudien eingeschlossen werden, was in den kommenden Jahren verstärkt weitergeführt wird.