Selektive und indizierte Prävention von psychischen Störungen in der Primärversorgung
In der frühzeitigen Prävention und Erkennung von psychischen Erkrankungen und ihrer Versorgung kommt Haus- und Kinderärzt:innen eine zentrale Bedeutung zu. Der Zugang zur fachärztlichen bzw. psychologisch-psychotherapeutischen Versorgung ist durch Angst vor Stigmatisierung, eine hartnäckige Fixierung auf körperliche Beschwerden (z.B. somatoforme Störungen) und Mangel an Versorgern häufig erschwert.
Ansprechperson
Dr. med. Markus Haun
Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Universitätsklinikum Heidelberg
Tel: +49 (0) 6221 56 5888
Zielsetzung
Zur Verbesserung des Zugangs zur spezialisierten Versorgung sollen
- virtuelle Skills Labs für Haus- und Kinderärzt:innen zur Verbesserung der Kommunikation mit Menschen mit maladaptivem Interaktionsstil und hochgradig belasteten Patient:innen, Identifikation von psychosozialen Belastungen in Familien und Aufzeigen zu geeigneten Unterstützungsnetzwerken entwickelt werden und
- videobasierte psychosoziale Sprechstunden für Patient:innen mit somatischer Belastungsstörung und für psychosozial belastete Familien implementiert werden.
Vorgehensweise
Im Skills Lab zur Verbesserung der Kommunikation mit Menschen mit maladaptivem Interaktionsstil werden Fachkräften der Primärversorgung in Webinaren mittels Informationen, Videobeispielen („virtuellen Patient:innen“) und praktischen Übungen Kompetenzen zur Einschätzung der Belastung von Patient:innen sowie emotional-kommunikative Kompetenzen im Umgang mit den Patient:innen vermittelt. So werden die Fachkräfte bspw. angeleitet, die eigene Haltung und Erfahrungen mit diesen Patient:innen zu reflektieren.
Im Skills Lab zum Umgang mit hochgradig belasteten Patient:innen (bspw. weil diesen zuvor eine schlechte Diagnose überbracht wurde oder sie Schwierigkeiten mit der Bewältigung ihrer körperlichen Erkrankung haben) werden anhand von konkreten Video-Fallbeispielen aus hausärztlichen Praxen hilfreiche Gesprächsführungsstrategien vermittelt und gemeinsam reflektiert, mit deren Hilfe der Leidensdruck der PatientInnen gemindert werden kann.
Im Skills Lab für belastete Familien werden diagnostische und Handlungskompetenzen zum Screening auf psychosoziale Belastung, zur Gesprächsführung und zur Weitervermittlung an geeignete Stellen vermittelt. Das interaktionelle Webinar beinhaltet u.a. die Schärfung der ärztlichen Wahrnehmung für psychosoziale Belastungsfaktoren in Familien, Gesprächsführung bei sensiblen Themen und Motivationsförderung zur Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten.
Das Ziel der randomisierten Machbarkeitsstudie VISION ist die Implementierung einer videobasierten psychosozialen Sprechstunde in Hausarztpraxen für Patient:innen mit somatischer Belastungsstörung. Dazu wird ein integriertes Modell zur spezialisierten psychosozialen Versorgung von N = 50 Patient:innen in fünf Hausarztpraxen hinsichtlich der Machbarkeit überprüft.
Die videobasierte Sprechstunde für psychosozial belastete Eltern beinhaltet ein vertieftes Screening hinsichtlich Stressfaktoren sowie im zweiten Schritt die Erörterung von passenden wohnortnahen Versorgungsmöglichkeiten. Falls indiziert, können eine umgehende Krisenintervention und auch Folgetermine in der Sprechstunde erfolgen. Zudem ist die kollegiale Beratung der Kinderärzt:in zur Risikoeinschätzung bei Kindeswohlgefährdung möglich.
Geplante und bereits etablierte Kooperationen
Im Skills Lab zur Verbesserung der Kommunikation mit Menschen mit maladaptivem Interaktionsstil werden Fachkräften der Primärversorgung in Webinaren mittels Informationen, Videobeispielen („virtuellen Patient:innen“) und praktischen Übungen Kompetenzen zur Einschätzung der Belastung von Patient:innen sowie emotional-kommunikative Kompetenzen im Umgang mit den Patient:innen vermittelt. So werden die Fachkräfte bspw. angeleitet, die eigene Haltung und Erfahrungen mit diesen Patient:innen zu reflektieren.
Im Skills Lab zum Umgang mit hochgradig belasteten Patient:innen (bspw. weil diesen zuvor eine schlechte Diagnose überbracht wurde oder sie Schwierigkeiten mit der Bewältigung ihrer körperlichen Erkrankung haben) werden anhand von konkreten Video-Fallbeispielen aus hausärztlichen Praxen hilfreiche Gesprächsführungsstrategien vermittelt und gemeinsam reflektiert, mit deren Hilfe der Leidensdruck der PatientInnen gemindert werden kann. Im Skills Lab für belastete Familien werden diagnostische und Handlungskompetenzen zum Screening auf psychosoziale Belastung, zur Gesprächsführung und zur Weitervermittlung an geeignete Stellen vermittelt. Das interaktionelle Webinar beinhaltet u.a. die Schärfung der ärztlichen Wahrnehmung für psychosoziale Belastungsfaktoren in Familien, Gesprächsführung bei sensiblen Themen und Motivationsförderung zur Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten.
(Zwischen-)Ergebnisse
- Skillslab zur Verbesserung der Kommunikation mit Menschen mit maladaptivem Interaktionsstil:
Konsistent zu den Meilensteinen Entwicklung von Wissensmaterialien, edukativen Videos mit Fallszenarien sowie Webinaren zu schwierigen Interaktionsstils abgeschlossen. Kurz vor Abschluss der Digitalisierung aller Materialien. Zusammenarbeit mit Verbundweiterbildung Plus etabliert; 1. Workshop fand in 10/21 statt, 2. Workshop wird in 5/22 stattfinden; zudem Durchführung eines weiteren Workshops beim diesjährigen Tag der Allgemeinmedizin. Das Skillslab wird von einer Studie ummantelt, die den Wissenserwerb und mögliche stigmatisierende Haltungen von Hausärzt:innen über Menschen mit Persönlichkeitsstörungen vor (t0) und nach (t1) Durchführung des Skillslabs untersucht. T0 durchgeführt. - Skillslab zur verbesserten Identifikation und Behandlung von schwerem Stress und hochgradiger Belastung hausärztlicher Patient:innen:
In Einklang mit den von uns aufgestellten Meilensteinen konnten wir interaktive Webinare entwickeln und dabei edukative Videos mit Fallszenarien aus der hausärztlichen Praxis erstellen. Derzeit erfolgt die Fertigstellung unserer Webinare, von denen wir das erste am Einzelseminartag (EST) des Kompetenzzentrums Weiterbildung Baden-Württemberg (KWBW) am 11. Februar 2022 durchführen werden. Auch bei einem weiteren EST im Sommer 2022 werden unsere Webinare zum Einsatz kommen. - Psychosoziale Belastungen bei Familien erkennen und wirksam handeln: Ein interaktives Webinar zur Stärkung von diagnostischen und Gesprächsführungskompetenzen in der Pädiatrie:
Die Entwicklung eines alltagspraktischen Screeninginstrumentes für Pädiater:innen zur Identifikation psychosozialer Belastungen bei Familien mit Kindern im Altersbereich von 0 bis 18 Lebensjahren wurde abgeschlossen. Die Entwicklung der Pilotversion des digitalen interaktiven Webinars, das Ende des 1. Quartals 2022 bei Pädiater:innen im Rhein-Neckar-Kreis implementiert wird, wurde abgeschlossen. Die Entwicklung des Evaluationskonzeptes, das die Pilotierung begleitet und das die quantitative und qualitative Untersuchung von Zufriedenheit und Akzeptanz der Teilnehmenden umfasst, wurde abgeschlossen und ein Ethikantrag gestellt. Eine Zertifizierung bei der Landesärztekammer wurde umgesetzt und die Rekrutierung für die Teilnahme an dem Webinar und begleitender Evaluation in Gang gesetzt. Im Anschluss und basierend auf den Ergebnissen der Evaluation, soll das Webinar entsprechend angepasst werden.
Im Mai 2022 wurde zudem eine digitale psychosoziale Sprechstunde etabliert. Pädiater:innen können psychosozial belastete Familien und Jugendliche an die Sprechstunde weiterleiten. Die Familien werden dann von einem interdisziplinären Team aus Ärzt:innen, Psycholog:innen, und Psychotherapeut:innen mit ausgewiesener Expertise im Familienbereich unterstützt. Hier können Sie den Flyer zur Sprechstunde herunterladen: Flyer – Digitale psychosoziale Sprechstunde.pdf - Randomisierte Machbarkeitsstudie VISION zur Implementierung einer videobasierten psychosozialen Sprechstunde in Hausarztpraxen für Patient:innen mit somatischer Belastungsstörung:
Das Projekt begann planmäßig zum 01.04.2021. Erste Meilensteine waren die Konzeption der Intervention nach partizipativem Forschungsansatz und die Abfassung des Studienprotokolls im zweiten und dritten Quartal 2021. Die:der erste Patient:in wurde am 11.11.2021 in die Studie eingeschlossen. Mittlerweile konnten N = 31 der geplanten 50 Patient:innen eingeschlossen werden, wovon drei die Interventionsbedingung bereits vollständig durchlaufen haben. Der Rekrutierungsertrag liegt bei 49% (als einschließbar gescreente Personen / für Screening angesprochene Personen), die Einwilligungsrate (randomisierte Personen / als einschließbar gescreente Personen) beträgt derzeit 76%. Das Manuskript zum Studienprotokoll wurde nach einer ersten Überarbeitung in Folge Begutachtung bei einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift wiedereingereicht.
Das Projekt begann planmäßig zum 01.04.2021. Erste Meilensteine waren die Konzeption der Intervention nach partizipativem Forschungsansatz und die Abfassung des Studienprotokolls im zweiten und dritten Quartal 2021. Die:der erste Patient:in wurde am 11.11.2021 in die Studie eingeschlossen. Mittlerweile konnten N = 31 der geplanten 50 Patient:innen eingeschlossen werden, wovon drei die Interventionsbedingung bereits vollständig durchlaufen haben. Der Rekrutierungsertrag liegt bei 49% (als einschließbar gescreente Personen / für Screening angesprochene Personen), die Einwilligungsrate (randomisierte Personen / als einschließbar gescreente Personen) beträgt derzeit 76%. Das Manuskript zum Studienprotokoll wurde nach einer ersten Überarbeitung in Folge Begutachtung bei einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift wiedereingereicht.
Publikationen:
Haun, M. W., Tönnies, J., Graue, L., Hartmann, M., Wensing, M., Szecsenyi, J., Wild, B. & Friederich, H.-C. (2022). Mental health specialist video consultations for patients with somatic symptom disorder in primary care: protocol for a randomised feasibility trial (the VISION trial). BMJ Open, 12(4), 1-10. https://doi.org/10.1136/bmjopen-2021-058150